Heute wollen wir euch noch die Antworten von Sozialdezernentin Frau Ilona Friedrich auf unsere Anfrage zeigen – und unsere Kommentierung dazu.
Auch der Besuch zu der schon kurz auf unserer Facebook-Seite angemerkten Ausschusssitzung für Finanzen, Wirtschaft und Grundsatzfragen im Rathaus brachte keine neuen Erkenntnisse. Mehr Negatives: Es gäbe angeblich keine generelle Verweigerung der Eingangsbestätigungen, dies ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die gesagt bekommen, sie bekommen keine Eingangsbestätigungen. Somit kann man auch noch den nächsten Kritikpunkt hier anführen, es wurde behauptet, es gäbe keine Sanktionen.
Jedoch ist der Betroffene nach den allgemeinen Bestimmungen in SGB I dazu verpflichtet, Mithilfe glaubhaft zu machen.
Ja wie denn, fragen wir, wenn man beweisen muss, dass man seiner Verpflichtung nachgekommen ist???
Auszug eines Hinweises auf einer Aufforderung zur Mitwirkung, Unterlagen abzugeben: „…können die Geldleistungen ganz entzogen werden (…)“
Wir gehen bei den Jobcentern davon aus, dass sie gehalten sind, Repressionen gegen Transferleistungsbezieher*innen, also z.B. Bezieher von Arbeitslosengeld, besonders im Bereich ALG 2 (Arbeitslosengeld 2, „Hartz IV“) so perfide wie möglich und so stetig wie möglich durchzuführen. Repressionen sind auch erwartbarer Stress mit dem „Amt“. Wer nicht zum Jobcenter geht, spart dem Staat Geld in der Armutsverwaltung. Wer keine Informationen vom Jobcenter über Möglichkeiten der Leistungen bekommt, wird darüber reden und sich oder anderen abraten, überhaupt auf dem simplen Recht auf Arbeitslosengeld zu bestehen. Nicht gegebene Eingangsbestätigungen bei der Abgabe von Unterlagen in den Jobcentern sind nur ein Teil dieses Mechanismus.
Es ist bekannt, dass in der Bürokratie der Jobcenter, das heißt in ihrer Verwaltung, immer wieder Unterlagen von Antragssteller*innen verschwinden. Das kann fatale Auswirkungen für die Antragssteller*innen haben, wenn die daraus ergebende Geldnot in unbezahlten Rechnungen, Hunger, Wohnungsnot und Stress mündet.
Wir gehen außerdem davon aus, dass viele, vermutliche Hunderttausende, den so genannten „Leistungsverzicht“ üben, also erst gar keine Anträge auf Leistungen, die ihnen zustünden, stellen und darum den Kontakt mit der Verwaltung vermeiden. Weil Unterlagen verschwinden oder verschwinden können und die Beweislast für die Abgabe der Unterlagen bei den Antragssteller*innen liegt.
Wir erinnern: Die Agenda 2010 hat mit „Hartz IV“ ein Sonderrecht geschaffen. Die „Schuld“ an der Arbeitslosigkeit ist nicht mehr in den Verhältnissen zu suchen, sondern angeblich im Individuum, in der einzelnen Jobsuchenden, dem einzelnen Jobsuchenden. Die Jobcenter sind hierbei Ermittler, Ankläger und Richter zugleich.
Nochmal eine kurze Review:
Die S.E.K. besuchte wegen der Forderung nach Eingangsbestätigungen für alle eingereichten Unterlagen, im vergangenen Monat eine Bürgersprechstunde in der Unterneustadt, an dem auch Bürgermeisterin Ilona Friedrich – Dezernat II für Bürgerangelegenheiten und Soziales – teilnahm. Zu dieser Bürgerfragestunde hatten wir 5 Fragen ausgearbeitet, die sich rund um das Thema Trägerversammlung des Jobcenters Stadt Kassel und Eingangsbestätigungen für abgegebene Unterlagen drehen. Unsere 5 Fragen übergaben wir, in schriftlicher Form und mit der Bitte um baldige und hinreichende Antwort, Frau Friedrich.
Auch wenn sie offiziell ganz formal die Anfrage beantwortet hat: mit den Antworten können Betroffene nichts anfangen, werden sie doch dadurch hingestellt, als wenn sie nur nicht richtig ihre Wünsche formulieren können.
Aber lest selbst, was wir dazu meinen….
1. Frage:
Aus welchen Personen besteht die Trägerversammlung des Jobcenters Kassel und wer ist aktuell der/die Vorsitzende der Trägerversammlung? Bitte mit Angabe des ausübenden Amtes.
Antwort:
Die Trägerversammlung des Jobcenters Stadt Kassel besteht aus vier Personen, zwei Vertreter der Bundesagentur für Arbeit (BA) und zwei Vertreterinnen der Kommune. Die Bürgermeisterin und Sozialdezernentin ist, als eine der beiden kommunalen Vertreterinnen, die derzeitige Vorsitzende der Trägerversammlung.
Unser Kommentar:
Hier wurde zum Teil nicht auf unsere Frage geantwortet, sondern eine allgemeine Beschreibung der Zusammensetzung gegeben. Die Antwort, dass Personen aus der BfA und Personen der Kommunen in dieser Versammlung sitzen, kann man aus dem Gesetz lesen, das die Trägerversammlung normiert und ist hier eine absolute Null-Antwort.
2. Frage:
Welche Entscheidungen mit Wirkung auf die Bürger der Stadt Kassel/“Kunden“ des Jobcenters hat die Trägerversammlung im letzten Jahr (Anm.: 2018) gefällt?
Antwort:
Die Trägerversammlung entscheidet über organisatorische, personalwirtschaftliche, personalrechtliche und personalvertretungsrechtliche Angelegenheiten der gemeinsamen Einrichtung (§ 44c Abs. 2 SGB II). Die Entscheidungen betreffen damit das Innenverhältnis der gemeinsamen Einrichtung. Sie nimmt in Streitfragen zwischen Personalvertretung und Geschäftsführung die Aufgaben einer übergeordneten Dienststelle und obersten Dienstbehörde wahr (§ 44c Abs. 3 SGB II). Die Trägerversammlung berät unter Berücksichtigung zur Verfügung stehender Haushaltsmittel zu gemeinsamen Betreuungsschlüsseln (§ 44c Abs. 4 SGB II) und sie stellt einheitliche Grundsätze der Qualifizierungsplanung und Personalentwicklung auf und stimmt diese mit den Personalentwicklungskonzepten der Träger ab (§ 44c Abs. 5 SGB II). In der Trägerversammlung wird das örtliche Arbeitsmarkt- und Integrationsprogramm der Grundsicherung für Arbeitsuchende unter Beachtung der Zielvorgaben der Träger abgestimmt (§ 44c Abs. 6 SGB II).
Unser Kommentar
Was diese Quasi-Kopie aus dem Gesetzestext der Vorschriften zur Trägerversammlung hier zu suchen hat, möchten wir nun wirklich gerne wissen, wenn wir explizit danach fragen, welche Entscheidungen die Trägerversammlung im Jahr 2018 gefällt hat, die die Bürger und „Kunden*Innen“ des Jobcenters der Stadt Kassel betreffen. Nun ja, keine Antwort ist auch eine, dann muss man hier davon ausgehen, dass ständig Entscheidungen getroffen werden, die die „Kund*innen“ des Jobcenters betreffen und dies wohl auch im Jahr 2018 passiert ist.
3. Frage:
Wo werden diese Entscheidungen transparent und dem Bürger zugänglich gemacht?
Antwort:
Sollten Entscheidungen der Trägerversammlung Auswirkungen auf die Bürgerinnen und Bürger haben, werden diese in angemessener Weise kommuniziert.
Unser Kommentar:
Wie in der Frage 2 schon angefragt, wollten wir hier auch wissen, wo man denn die Entscheidungen einsehen kann als betroffener Mensch. Was heißt hier „angemessene Weise“? In einer verwässerten Pressemitteilung? Warum werden diese Entscheidungen nicht öffentlich gemacht? Das Jobcenter ist eine öffentliche Einrichtung, gemeinsam mit den Kommunen. Welche Entscheidungen Auswirkungen auf die Betroffenen hat, können nur die Betroffenen selbst beurteilen.
4. Frage:
Seit geraumer Zeit werden keine Eingangsbestätigungen für abgegebene Unterlagen beim Jobcenter Stadt Kassel ausgestellt. Laut dem Leiter des Eingangsbereichs des Jobcenters der Stadt entscheidet dies die Trägerversammlung in der Sie mitwirken. Durch eine Empfehlung/Weisung der BfA vom 20.06.2018 wurden den Trägerversammlungen und den Jobcentern nahegelegt, Eingangsbestätigungen auszustellen. Aus welchen Gründen und wann wurde entschieden, dieser Empfehlung nicht nachzukommen und wo kann man diese Entscheidung einsehen?
Antwort:
Bereits zu Frage 2 wurde die rechtliche Festlegung aus dem SGB II benannt, nach der die Trägerversammlung entscheidet. Angelegenheiten der laufenden Verwaltung, hierzu zählt das Verfahren zur Ausstellung von Eingangsbestätigungen, unterliegen dem Regelungsvorbehalt der Geschäftsführung des Jobcenters. Auf Wunsch bzw. Verlangen der Kundinnen und Kunden sowie für fristwahrende Schreiben, wie z. B. Widersprüche und Anträge werden bereits Eingangsbestätigungen ausgegeben. Auch andere Jobcenter in der Region verfahren gleichermaßen, d. h. es erfolgt keine generelle Verweigerung der Ausstellung. In der Trägerversammlung wurde der Sachverhalt aufgrund seiner Aktualität durch die Vorsitzende der Trägerversammlung eingebracht und darauf hingewiesen, die interne Regelung zu Eingangsbestätigungen nochmals zu prüfen.
Unser Kommentar:
Hier wird es jetzt gesetzestechnisch und wir müssen gleich mehrere Dinge richtigstellen:
Das Gesetz, welches hier immer wieder angeführt wird (§44c SGB II), lautete im zweiten Absatz wie folgt:
2) Die Trägerversammlung entscheidet über organisatorische, personalwirtschaftliche, personalrechtliche und personalvertretungsrechtliche Angelegenheiten der gemeinsamen Einrichtung. Dies sind insbesondere die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführerin oder des Geschäftsführers,der Verwaltungsablauf und die Organisation, die Änderung des Standorts der gemeinsamen Einrichtung,
1. die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführerin oder des
Geschäftsführers,
2. der Verwaltungsablauf und die Organisation,
3. die Änderung des Standorts der gemeinsamen Einrichtung,
4. die Entscheidungen nach § 6 Absatz 1 Satz 2 und § 44b Absatz 4, ob einzelne Aufgaben durch die Träger oder durch Dritte wahrgenommen werden,
5. die Regelung der Ordnung in der Dienststelle und des Verhaltens der
Beschäftigten,
6. die Arbeitsplatzgestaltung,
7. die Genehmigung von Dienstvereinbarungen mit der Personalvertretung,
8. die Aufstellung des Stellenplans und der Richtlinien zur Stellenbewirtschaftung,
9. die grundsätzlichen Regelungen der innerdienstlichen, sozialen und persönlichen Angelegenheiten der Beschäftigten
Hierzu schreibt die Weisung der BfA, auf die wir hingewiesen haben, vor:
„Verwaltungsablauf und Organisation eines Jobcenters liegen gem. § 44c Abs. 2 S. 2 Nr. 2 SGB II im ausschließlichen Aufgabenbereich der jeweiligen Trägerversammlung. Eine verbindliche bundeseinheitliche Verfahrensregelung im Hinblick auf den Umgang mit Eingangsbestätigungen ist daher gesetzlich nicht möglich. Die BA befürwortet ausdrücklich die Ausstellung einer Eingangsbestätigung auf Wunsch der Kundinnen und Kunden sowie für fristwahrende Schreiben wie Widersprüche und Anträge.
Die Agenturen für Arbeit wirken zeitnah in der Trägerversammlung darauf hin, dass die gemeinsamen Einrichtungen eine Eingangsbestätigung auf ausdrücklichen Wunsch der Leistungsberechtigten sowie für fristwahrende Schreiben wie Widersprüche und Anträge ausstellen, soweit das nicht bereits bestehende Praxis ist.“
Warum dann Sozialdezernentin Frau Ilona Friedrich hier schreibt, die Geschäftsführung wäre zuständig, bleibt ihr Geheimnis. Aber einfach mal Unwahrheiten in die Welt setzen und anderes behaupten, unabhängig von den gesetzlichen Bestimmungen. Wird schon keiner merken 😉
Weiter:
Andere Jobcenter, wie zum Beispiel das Jobcenter im Landkreis, stellen ganz selbstverständlich Eingangsbestätigungen aus – ganz ohne dies ausdrücklich zu wünschen. Also kann hier nicht von einer vergleichbaren Handhabung gesprochen werden. Denn: Aussagen gegenüber uns und Betroffenen folgend, gibt es im Jobcenter der Stadt Kassel keine Eingangsbestätigungen außer für Widersprüche.
Wir haben das nun mehrfach erleben dürfen. Somit ist hier eine klare Verkennung der Praxisrealität zu sehen. Es gibt keine Eingangsbestätigungen und dies wurde von Angestellten des Jobcenters so mitgeteilt. Wir möchten wissen, ob die Sozialdezernentin überhaupt Kenntnis der realen Handhabung hat?
Die weitere Kommentierung werden wir uns an dieser Stelle sparen, wir denken, die Intention der Sozialdezernentin ist klar geworden, uns hier für die Betroffenen nicht entgegen zu kommen geschweige denn überhaupt mal die Probleme ernstzunehmen. Interessant zu sehen, wie unwichtig der Trägerversammlung die Menschen sind, die sie so „kundenfreundlich“ behandeln möchten.
5. Frage:
Laut § 60 SGB II gibt es für Antragsteller_innen von Leistungen eine Auskunfts- und Mitwirkungspflicht. Das heißt, es müssen, im allgemeinen schriftlich, Unterlagen eingereicht werden. Mit der Sozialgesetzgebung von 2005 ist diese Auskunftspflicht verschärft worden. Ist Ihnen bewusst, dass den Antragsteller_innen, die Unterlagen abgeben, durch den fehlenden Nachweis Sanktionen und Nachteile drohen? Warum übt die Trägersammlung diesen Druck auf die Antragsteller_ innen aus?
Antwort:
Aufgrund des verspäteten oder nicht erfolgten Einreichens von Unterlagen kann grundsätzlich keine Sanktion ausgesprochen werden. Die Leistungen des SGB II können gekürzt werden, wenn die leistungsberechtigte Person eine der in §§ 31 und/oder 32 SGB II genannten Pflichten verletzt.
Dies wäre beispielhaft der Fall, wenn sich jemand trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen bzw. deren Kenntnis weigert, in der Eingliederungsvereinbarung oder dem diese ersetzenden Verwaltungsakt festgelegte Pflichten zu erfüllen (z. B. in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen), eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheit bzw. gefördertes Arbeitsverhältnis anzunehmen oder eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit nicht antritt, abgebrochen oder Anlass zum Abbruch gegeben hat. Kann die Person einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen, können keine Sanktionen erfolgen.
Kommt eine leistungsberechtigte Person trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis einer Aufforderung des zuständigen Trägers, sich bei ihm zu melden oder bei einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, nicht nach, mindert sich das Arbeitslosengeld II oder das Sozialgeld jeweils um 10% des für sie maßgebenden Regelbedarfs. Dies gilt nicht, wenn Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen.
Die Regelungen ergeben sich, wie dargestellt aus den Vorgaben des SGB II; die Trägerversammlung hat hierbei keinerlei Regelungsräume.
6. Frage:
Wie positioniert sich nach § 44c SGB II Trägerversammlung die Trägerversammlung (KS) zur Transparenz Ihrer Beschlüsse zur Eingangsbestätigung von Einreichungen und Unterlagen beim Jobcenter Kassel?
Antwort:
Das Ausstellen von Eingangsbestätigungen liegt, wie bereits zu Frage 4 dargestellt, im Entscheidungsvorbehalt der Geschäftsführung des Jobcenters. In der Trägerversammlung des Jobcenters Stadt Kassel wurde der Sachverhalt lediglich aufgrund der Aktualität durch die Vorsitzende der Trägerversammlung eingebracht und auf eine nochmalige Prüfung des Verfahrens hingewiesen. Es wurde kein Beschluss im Hinblick auf das Verweigern oder Ausstellen von Eingangsbestätigungen gefasst.
Ilona Friedrich
Bürgermeisterin